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Vom Kindergarten in die Schule

gepostet am: 03. September 2015 von Mag. Veronika Michitsch

Es dauert nicht mehr lange, dann beginnt wieder die Schule und mit ihr ein neuer Lebensabschnitt für viele Kindergartenkinder und deren Familien. Der Beginn von etwas Neuem ist ja stets gerne gesehen und sogar erwünscht, wenn Menschen sich nicht überfordert oder überrumpelt fühlen. Gerade der Schuleintritt ist für Tafelklassler ein Neubeginn voller gemischter Emotionen. Die einen freuen sich und können es kaum erwarten, mit Schultasche und Schultüte die Schule zu betreten. Die anderen haben eher gemischte Gefühle, was den Schulbeginn betrifft. Was bedeutet es, plötzlich in die Schule zu gehen? Warum sagen viele Erwachsene, dass nun der Ernst des Lebens beginnt? Muss man sich vor der Schule eigentlich fürchten?

Eltern stehen wie ihre Kinder ebenfalls vor vielen Fragen, die mit dem Schuleintritt ihres Sprösslings zu tun haben. Ist mein Kind schon bereit für die Schule? Was bedeutet eigentlich Schulfähigkeit? Wird sich mein Kind in der Schule schnell einleben und wohlfühlen?

Was bedeutet Schulfähigkeit?!

Renate Niesel, diplomierte Psychologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Staatsinstitut für Frühpädagogik München hält fest, dass es keine allgemeingültige Definition für Schulreife oder Schulfähigkeit gibt. Vielmehr würde es darauf ankommen, inwieweit „die Kompetenzen des Kindes und die Erwartungen der Schule zusammenpassen“ (www.familienhandbuch.de). So kann man die Entwicklung der Schulfähigkeit als ineinandergreifende Zahnräder verstehen, wobei sich Kind, Kita, Eltern und Schule miteinander verbinden und gemeinsam vorwärtsgehen. Zusammenarbeit zum Wohle des Kindes gewährleistet einen selbstbewussten Schulstart. Dass dabei offene Kommunikation, Respekt, Kooperation und Aufrichtigkeit Grundvoraussetzungen jeglicher Zusammenarbeit sind, versteht sich in der modernen Pädagogik von selbst.

Bist du bereit?

Im Zusammenhang mit dem Schulbeginn spricht man eher von „Schulbereitschaft“ als von „Schulreife“. Keinesfalls ist es empfehlenswert, Kinder Testverfahren zu unterziehen, die die Schulfähigkeit überprüfen sollen. Dabei wird nämlich ausschließlich der Entwicklungsstand des Kindes zum Zeitpunkt des Tests bestimmt, was angesichts der vielseitigen und raschen kindlichen Entwicklung als überholt gilt. Die Individualität eines jeden Kindes zum Schuleintritt lässt eine allgemeine Definition oder Prognose von „Schulfähigkeit“ nicht zu. Vor allem deshalb, weil Schulen unterschiedliche Kernbereiche, Profile und Rahmenbedingungen haben, auf die die Kinder subjektiv reagieren.

„Ich bin ein Schulkind!“

Renate Niesel betont, dass ein Kind erst in der Schule zu einem „Schulkind“ wird. Dies bedeutet, dass Kinder erst durch den Kontakt mit der Schule spezifische Erfahrungen mit der neuen Bildungsinstitution machen müssen, um sich selbst als Schulkind zu definieren. Dazu kommen noch eine Menge anderer Voraussetzungen, die ein Kind mitbringen sollte, um bereit für den Schuleintritt zu sein. Und genau das sollten sich Eltern und pädagogische Fachkräfte fragen: „Ist das Kind „bereit“, ein Schulkind zu werden?“ Diese Frage betont einmal mehr die individuelle Schulbereitschaft des Kindes.

Unterschiedliche Voraussetzungen für den Schuleintritt

Da das Kind immer als körperlich-kognitive und seelische Gesamtheit seiner persönlichen Kompetenzen angesehen wird, macht es wenig Sinn, das Wesen des Kindes in einzelne Fähigkeitsbereiche aufzugliedern. Vielmehr gilt auch hier die Devise der ineinandergreifenden Zahnräder, die sich gegenseitig bedingen.

So zählen folgende Bereiche, die immer als Gesamtheit und nie als separat voneinander betrachtet werden, zur Schulbereitschaft des Kindes:

  • Körperliche Entwicklung, Körpergefühl: Ich fühle mich mit meinem Körper wohl, ich kann ihn beherrschen, habe ein positives Selbstbild, kann mich in schwierig erscheinenden Situationen mit Selbstvertrauen bewegen.
  • Kognitive Entwicklung: Ich kann mir kleinere Aufträge, Gedichte, Lieder und Erzählungen merken, ich kann entsprechend meines Alters logisch und folgerichtig denken, drücke mich sprachlich verständlich aus, begleite Denken und Handeln mit Sprache. Ich kann überschaubare Mengen erfassen, habe Spaß am Umgang mit kleinen Mengen- und Zahlenbegriffen.
  • Motivation und Sozialkompetenz: Ich bin bereit, mich selbst für eine Sache zu motivieren, ich habe Ausdauer, wenn es um längere Spielprozesse mit Konzentrationsleistung geht. Ich kann meinem Alter entsprechend sozial agieren, finde mich in sozialen Prozessen zurecht und bin selbstbewusst, wenn es um die Erkundung von Neuem geht. Meine Selbstständigkeit ist stabil, ich bin nicht von der andauernden Beschäftigung Erwachsener mit mir abhängig.

Jedes Kind ist anders

Jedes Kind geht mit Übergängen anders um. Jeder Übergang bedeutet für Kinder einen Entwicklungsschub auf körperlicher, sozialer und kognitiver Ebene. Gemäß seiner Lebensumwelt und persönlichen Voraussetzungen reagiert jedes Kind individuell auf Veränderungen, Personen, Anforderungen und Neubeginne. Wichtig ist nur, dass sich Eltern bewusst sind, dass ihr Kind Zeit, Sicherheit und jede Menge elterlicher Gelassenheit benötigt, um stressfrei und positiv in seinen neuen Lebensabschnitt starten zu können. Mit dem Eintritt in die Schule beginnt ein neuer, bunter und vielfältiger Abschnitt eines jeden Kinderlebens, den jedes Kind AKTIV in seinem ganz persönlichen Tempo bewältigt!

 

QUELLE:

NIESEL, Renate (o.J.): https://www.familienhandbuch.de/schule/schulfahigkeitschulreife/schulreife-oder-schulfahigkeit-was-ist-darunter-zu-verstehen

 

BUCHEMPFEHLUNGEN:

Krenz, Armin (2003): Ist mein Kind schulfähig? Ein Orientierungsbuch. Kösel-Verlag.

Krenz, Armin (2008): Kinder brauchen Seelenproviant. Was wir ihnen für ein glückliches Leben mitgeben können. Kösel-Verlag.

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